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Die Zukunft des KI-Innovationsstandorts Deutschland

Anja Schaar-Goldapp • Okt. 10, 2022

Panelveranstaltung des GI-Wirtschaftsbeirats

auf der INFORMATIK2022 in Hamburg am 29. September 2022


Über die Zukunft des KI-Standorts Deutschland und innovative KI-Geschäftsmodelle haben wir im GI-Wirtschaftsbeirat mit hochrangingen Expert*innen aus der IT-Branche, der Industrie und der Wissenschaft in Hamburg diskutiert, um ein aktuelles Bild von Chancen und Herausforderungen zu bekommen. 


Anja Schaar-Goldapp, Sprecherin des GI-Wirtschaftsbeirats, ging in ihrer Begrüßungsrede auf die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz für eine Vielzahl von Wirtschaftszweigen ein. Sie bat die vier Expert*innen, in Impulsvorträgen auf die für sie relevanten KI-Themen, Trends in der KI und die Erfolgsfaktoren einzugehen, bevor darüber die Diskussion startet.



Von links nach rechts: Dr. Susan Wegner (Lufthansa Industrie Solutions), Dr. Wieland Holfelder (Google), Fiona Liebehenz (Bosch Powertools), Prof. Dr. Ingo Timm (GI, DFKI und Uni Trier), Anja Schaar-Goldapp als Sprecherin des GI-Wirtschaftsbeirats
Bildnachweise (alle Bilder): Gesellschaft für Informatik e.V.



Dr. Wieland Holfelder, VP Engineering & Site Lead Google Deutschland, eröffnete seinen Impulsvortrag mit der herausragenden Rolle der Informatik in der Bekämpfung des Klimawandels und bezeichnete diesen Kampf als das wichtigste IT-Projekt in unserer Zeit. Google strebt bis 2030 eine komplett CO2-freie Energieversorgung an und setzt dabei u.a. auf energieeffiziente Operations in Rechenzentren und die Minimierung des Energieverbrauchs durch adaptive KI-basierte HVAC* Steuerung. Hierzu werden auch sehr große Investitionen getätigt. Darüber hinaus werden Google-Tools mit dem Ziel der Sparsamkeit adaptiert. Beispielweise nutzt Google Maps jetzt KI, um als Alternative energie- und kostensparende Routen vorzuschlagen.




Dr. Wieland Holfelder (Google)


Dr. Susan Wegner, VP Artifical Intelligence & Data Analytics der Lufthansa Industry Solutions, legte ihren Fokus auf die Rolle von KI in Kundenprojekten. Lufthansa Industry Solutions ist ein „Daten & KI Powerhouse“, das Applikationen bereits aus 80 fertigen KI-Modulen zusammen stellen kann. Basis dazu sind die Cloud-Plattformen der Hyperscaler wie z.B. Google. Die verwendeten KI-Methoden haben sich bereits für viele neue Geschäftsmodelle etabliert und decken die wichtigsten Anwendungsbereiche ab. Sie müssen dazu jeweils nur auf die Datenstrukturen der Kunden angepasst werden. Wegner betonte zudem die Rolle des holistischen Verständnisses der IT sowie der Kultur innerhalb jedes einzelnen Unternehmens als zentralen Faktor für den erfolgreichen Einsatz von KI. 



Dr. Susan Wegner (Lufthansa Industrie Solutions)


Der Co-Sprecher des GI-Fachbereichs Künstliche Intelligenz, Prof. Dr. Ingo Timm, Professor an der Universität Trier und Projektleiter im DFKI, wählte einen anderen Zugang zum Thema und beschrieb einen zentralen Unterschied zwischen der deutschen und der US-amerikanischen Industrie: während in Deutschland der Mittelstand als industrielle Basis fungiert, geben in den USA die Big Tech Unternehmen den Takt vor. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Standardisierung von KI-Prozessen, um die seit einiger Zeit innerhalb der EU gerungen wird. Eine zentrale Herausforderung ist es hierbei, Daten und relevantes Wissen zusammenzubringen und zugänglich zu machen. Damit wird ein Umfeld für Innovationen geschaffen, das „KI-ready“ sei und die schnelle Entwicklung neuer KI-Geschäftsmodelle fördert.



Prof. Dr. Ingo Timm (GI-FB KI, DFKI und Uni Trier)


Fiona Liebehenz, VP International Key Account eCommerce bei Bosch Power Tools, beschrieb den Handel im Wandel und seine weitreichenden Auswirkungen. Vom stationären Handel ausgehend führt der Weg zukünftig über den Electronic-Commerce hin zum Everywhere-Commerce. Dabei ist Künstliche Intelligenz mit ihren vielen Use Cases essentiell. Innovativ sind u.a. die smarte Kundenansprache, die intelligente Angebotssteuerung sowie das proaktive Advertising-Bidding auf Werbeplätzen im Internet - mit Zuschlag für den Höchstbietenden in Echtzeit. Der Trend geht weg vom eindimensionalen “Push” hin zu holistischen, systemischen “Pull”-Aktivitäten. Darüber hinaus entwickelt Bosch mit KI neue Service-Geschäftsmodelle wie z.B. Predictive Maintenance und optimiert damit auch die Wertschöpfungskette.



Fiona Liebehenz (Bosch Powertools)


Diskussion über die Herausforderungen mit Daten


Das anschließende Panelgespräch startete mit der Diskussion über eine häufige Herausforderung bei der Entwicklung von KI-Applikationen: die Datenbasis. Da viel Zeit mit dem Aufbereiten der Datenbasis in vielen KI-Projekt vergeht, wurde über den Nutzen dömanenspezifischer Standardisierungen bei den Basisdaten diskutiert. Als hilfreich hat sich bereits schon die Einigung auf elementare Begriffe beim Aufbau von Ontologien erwiesen, wie Timm erfreut berichtete. Holfelder betonte, dass es wichtig ist, flexibel zu bleiben und standardisierte Formate für unstrukturierte Daten zu haben. 



Fokus auf „Customer first“ und „Computational Thinking“ bringen Erfolg


Bei der Suche nach Erfolgsfaktoren in der Entwicklung wurden mehrere Punkte identifiziert. „Customer first“ wurde von Holfelder besonders betont und Software, die einfach zu bedienen ist. Da ist bei vielen Applikationen auf dem Markt offensichtlich ein Nachholpotential. Erfolgreich sind besonders Entwicklungen in gemischten Teams, die Informatik, Anwendungswissen und Kundenverstehen verbinden können. Alle Expert*innen waren sich einig, dass Computational Thinking Fähigkeiten aller Akteure entscheidend sind, auch wenn sie nicht programmieren. Dazu gehören insbesondere das Verständnis der Möglichkeiten von Informatik und KI - sowie ihrer Grenzen. Bereits Lehrpläne an Schulen sollten das enthalten, um früh das Verständnis zu wecken.


Dr. Wieland Holfelder (Google), Prof. Dr. Ingo Timm (GI-FB KI, DFKI und Uni Trier) 


Low Code / No Code und die Cloud sind Gamechanger 


Nicht jeder im Team muss Programmierkenntnisse haben, das wurde deutlich. Neuer Trend ist „Low Code / No Code Applikationsentwicklung“, eingebettet in Cloud Systeme. Informatiker*innen und Data Scientists werden nach wie vor in großem Umfang benötigt, aber spezialisierter als früher, da vieles durch Cloud Services erledigt wird und Standardaufgaben wegfallen.



KI-Act der EU und DSGVO


Die Zuschauenden brachten sich aktiv in die Diskussion ein und lenkten den Fokus u.a. auf den von der EU angestoßenen KI-Act als Mittel der Regulierung von KI. Die Definition von KI-Systemen darin ist so formuliert, dass viele Softwarepakete auch ohne klassische KI-Elemente darunter fallen und somit Fragen zur Auslegung aufgeworfen werden. Eine interessante Erkenntnis der Diskussion war, dass in Deutschland EU-DSGVO-Regeln restriktiver ausgelegt werden als in europäischen Nachbarländern und damit Potential ungenutzt bleibt. 



KI ist startklar


Fazit der Diskussion ist, dass sich schon hervorragend nutzbare, vertrauenswürdige KI-Verfahren in der Praxis bewährt haben und zur Verfügung stehen. Sie könnten problemlos aktiver genutzt werden. Es ist also ein Umsetzungsdefizit zu sehen. Gerade auf der Basis von Cloud Plattformen ist es viel einfacher als oft gedacht, neue KI-basierte Geschäftsmodelle für viele Branchen zu entwickeln. Damit kann für die Zukunft des KI-Standorts Deutschland sehr viel gewonnen werden. Ein Fazit, das Mut macht und zum Handeln inspiriert.


Von links nach rechts: Anja Schaar-Goldapp (Sprecherin GI-Wirtschaftsbeirat) mit den Gästen: Dr. Wieland Holfelder (Google), Fiona Liebehenz (Bosch Powertools), Dr. Susan Wegner (Lufthansa Industrie Solutions), Prof. Dr. Ingo Timm (GI-FB KI, DFKI und Uni Trier)

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